Mein erstes Semester als Lehrbeauftragter neigt sich so langsam dem Ende zu und ich dachte, ich fasse mal ein paar Worte zu dieser spannenden Zeit zusammen. Eventuell gibt es ja die/den ein*e oder andere Person, die meine Gedanken teilt bzw. etwas daraus mitnehmen kann. Außerdem ist das als Doktorand an einer Technischen Hochschule vielleicht etwas anders, als an Universitäten.
Gerade weil mein Lehrauftrag recht kurzfristig zustande kam, war vieles für mich „Learning by Doing“. Das war herausfordernd, aber auch unglaublich lehrreich. In diesem Beitrag möchte ich ein paar Einblicke geben, wie ich den Sprung ins kalte Wasser erlebt habe, fachlich, organisatorisch und auch auf der persönlichen Ebene.
Design Research: Das Modul, was ich begleiten durfte
In diesem Sommersemester hatte ich die Möglichkeit als Vertretung das Modul Design Research: Methoden und Szenarien im Bachelorstudiengang Informationstechnologie und Design (ITD) zu betreuen.
Exkurs Design Research: Grundsätzlich sollen Studierende in diesem Modul lernen, wie sie forschungsbasierte Ansätze (Interviews oder Beobachtungen) gezielt in einem Designprozess einsetzen können. Dafür wenden sie die Methoden in einem Praxisprojekt an, um Nutzer*innen zu erforschen und ihre Erkenntnisse Schritt für Schritt in eine Designlösung zu überführen.
An diesem Modul gab es gleich zwei coole Dinge, die ich verbinden konnte: Zum einen habe ich selbst vor ein paar Jahren diesen Studiengang studiert und das Modul damals ebenfalls belegt. Daher wusste ich schon ziemlich genau, wie die Lehrveranstaltung inhaltlich und organisatorisch aufgebaut ist. Zum anderen beschäftigt sich auch mein Promotionsthema mit Design Research bzw. nutzt die entsprechenden Methoden. Dadurch konnte ich den Studierenden auch praktisch einiges mitgeben, was ich in den letzten Jahren an Erfahrung gesammelt habe. Trotzdem habe ich schnell gemerkt, dass fachliche Kompetenz nicht automatisch bedeutet, auch pädagogisch alles im Griff zu haben.
Die Zeit während des Semesters
In den letzten Jahren durfte ich immer wieder Fachvorträge auf Konferenzen halten und auch Workshops leiten, bei den ich den direkten Austausch mit Lernenden hatte. Auch während meines Studiums habe ich mehrere Jahre Tutorien betreut und Studierende beim Lernen begleitet. Fachlich wusste ich also, woraus es ankommt. Dennoch ist die Organisation und die Verantwortung eines eigenen Lehrauftrags nochmal ein ganz anderes Thema, das ich persönlich erstmal lernen musste. Im Zuge der ersten Lehrveranstaltung gingen mir zuvor einige Fragen durch den Kopf: Biete ich den Studierenden das Du oder Sie an? Nehmen die Studierenden mich ohne Doktor eigentlich ernst? Selbst wenn ich die fachliche Erfahrung habe, kann ich die fachliche Kompetenz auch verkörpern? All’ diese Fragen sollten sich aber auf jeden Fall im Zuge des Semesters beantworten lassen.
Die Frage der Fragen: Du oder Sie?
Die Frage, die mich am meisten beschäftigt hat, ist so banal, wie kompliziert. Biete ich meinen Studierenden das Du oder Sie an? Ich dachte mir: „Natürlich biete ich Ihnen das „Du“ an. Wir waren doch alle mal ITD Studierende. Sitzen/Saßen daher mal alle im selben Boot.“ Aber ist das wirklich so?
Ich als Dozent musste verstehen, dass trotz des geringen Altersunterschieds und teilweise gleichen Ansichten einen gewissen Impact auf die Zukunft der Studierende hatte. Die spätere Note, die man als Prüfungsleistung vergibt, konnte für die Studierenden einige weitreichenden Dinge bedeuten, die man auf dem ersten Blick gar nicht sieht. Eventuell unterhält man sich in der Gruppenphase eher persönlicher und lacht gemeinsam, aber Schlussendlich in der Dozent für Bewertung der späteren Prüfungsleistung zuständig und damit potenziell auch für den weiteren Weg einiger Studierenden ausschlaggebend. Trotzdem habe ich mich zunächst bewusst für das „Du“ entschieden. Es fühlte sich einfach richtig an, weil ich den direkten und unkomplizierten Austausch schätze und selbst als Studierender gute Erfahrungen damit gemacht habe. Im Laufe des Semesters wurde mir jedoch klar, dass es weniger um die konkrete Anrede geht, sondern vielmehr darum, wie man die eigene Rolle als Lehrender ausfüllt. Die Erkenntnis hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, eine gute Balance zu finden: Nahbar und auf Augenhöhe zu bleiben, aber gleichzeitig auch die Verantwortung als Dozent ernst zu nehmen.
Was nehme ich als Doktorand aus dieser Erfahrung mit?
Als Doktorand konzentriert man sich oft sehr stark auf das eigene Forschungsthema, tief in der Theorie, in der Datenerhebung und in wissenschaftlichen Diskussionen. Die Lehre hat mir persönlich aber noch einmal gezeigt, wie wichtig es ist, diese Inhalte greifbar und verständlich für andere zu machen. Das ist nicht nur für die Lehre relevant, sondern auch für die eigene Wissenschaftskommunikation. Teilweise durfte ich in der Lehrveranstaltung unterschiedliche Themen auf 3 verschiedene Weisen erklären. Jeder Studierende ist individuell, genauso ist eben auch der Lernprozess.
Ich habe gelernt, dass es einen Unterschied macht, ob man selbst Wissen aufbaut oder es vermitteln muss. Beides erfordert unterschiedliche Herangehensweisen, aber genau diese Fähigkeit, komplexe Inhalte auf den Punkt zu bringen, wird mir auch in meinen weiteren Promotionsphasen helfen.
Außerdem hat mir diese Zeit gezeigt, dass Lehre nicht nur eine Aufgabe ist, sondern auch eine Chance. Studierende geben direktes Feedback, das einen selbst in der eigenen Rolle als Wissenschaftler schärft. Es zwingt einen, sich zu fragen: “Verstehe ich mein Thema eigentlich selbst so, dass ich es auch anderen verständlich erklären kann?”
Daher nehme ich aus diesem ersten Lehrauftrag nicht nur praktische Erfahrungen für zukünftige Lehre mit, sondern auch wertvolles Feedback für meine eigene Forschung.
Mein eigenes Fazit
Für mich war der erste Lehrauftrag definitiv eine spannende Herausforderung, bei der ich fachlich viel weitergeben konnte, aber auch selbst einiges dazugelernt habe. Besonders die Balance zwischen Nähe zu den Studierenden und der eigenen Rolle als Lehrender bewusst zu gestalten, war eine Erfahrung, die mich persönlich einfach voran gebracht hat. Es reicht eben nicht „nur“ die Inhalte zu kennen. Es ist entscheidend, wie man diese vermittelt, wie man auf konkrete Fragen eingeht und wie man gemeinsam durch den Lernprozess geht.
Im Vorfeld habe ich mich oft gefragt, ob mich die Studierenden auch ohne Doktortitel ernst nehmen und ob ich diese „Kompetenz“ wirklich ausstrahlen kann. Rückblickend kann ich sagen, dass solange man die Inhalte verständlich erklärt, den Bezug zur Praxis herstellt (sodass die Studierenden wissen, warum sie es tun) und ehrlich im Austausch bleibt, stellen sich solche Fragen gar nicht mehr. Das zeigte auch ein Auszug aus der Evaluation der Hochschule:
„Herr Harder macht einen wunderbaren Job darin einen in die Materialien einzuführen und deren Praxisbezug zu erklären. Er nimmt eine sinnvolle und pragmatische Herangehensweise an den Kurs. Seine Vorlesungen sind spannend und ohne viel Schickimicki, das macht es sehr angenehm ihm zuzuhören.“
Ein solches Feedback für die kurzfristige Übernahme einer Lehrveranstaltung zu bekommen, war für mich wirklich toll. Es gibt mir definitiv die Motivation, die Augen offen zu halten und bei passenden Gelegenheiten auch in den kommenden Semestern wieder einen Lehrauftrag zu übernehmen, sofern sich entsprechende Module ergeben.